In den letzten Wochen zeigte sich in einer seltenen Deutlichkeit, dass die hochgelobte Schweizer Neutralität nicht existiert. Sie ist wie ein Gang auf Messers Schneide: Schlicht nicht möglich.

Der Skandal um die Crypto AG wirft ein grelles Licht auf die dunkle Seite der allseits geschätzten Schweizer Diskretion. Sie bedeutet eben nicht nur, dass wir vertrauenswürdige Geschäftspartner sind, sondern eben in erster Linie, dass wir bereit sind, Dinge zu verstecken, die nicht öffentlich sein sollen oder können. Es ist wie beim Bankgeheimnis: Klar, dass Diskretion denjenigen am meisten nützt, die am meisten zu verstecken haben.

Mit Investitionen macht man Politik. Vor allem, wenn die Investitionen Waffen betreffen. Die Kriegsgeschäfte-Initiative fordert, dass jegliche Art von Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten durch die Schweizerische Nationalbank und Institutionen der staatlichen und beruflichen Vorsorge verboten wird. Weder der Bundesrat noch die Kommissionen halten es für nötig, etwas an der Tatsache zu ändern, dass unser Geld Kriegsmaterial wie Atombomben oder chemische Waffen finanziert. Nicht mal ein Gegenvorschlag ist möglich, man sieht schlicht keinen Handlungsbedarf. Mantramässig werden die Gegenargumente angebracht: Bürokratie, Einschränkung der Investitionsfreiheit, Kosten, Arbeitsplätze.

Oder: Kriegsmaterialexporte in Bürgerkriegsländer. Der Export von Kriegsmaterial an Länder, die systematisch und schwerwiegend die Menschenrechte verletzen oder an Länder, die in bewaffnete Konflikte verwickelt sind – und das durch ein sogenannt «neutrales» Land. Was doch eigentlich selbstverständlich sein sollte für ein «neutrales» Land, ist Gegenstand politischer Diskussion. Es brauchte sogar eine Initiative, die Korrektur-Initiative, um etwas zu bewegen. Zurzeit arbeitet der Bundesrat an einem indirekten Gegenvorschlag. Der Druck hat gewirkt, bleibt aber weiterhin nötig, damit ein Gesetz entsteht, dass die Exporte auch wirklich stoppen kann.

Oder: Konzernverantwortung. Anstand darf nicht an der Landesgrenze aufhören. Wir tragen eine Verantwortung dafür, was unsere Unternehmen im Ausland machen. Nur weil wir unter dem Deckmantel der Diskretion keine Fragen stellen, heisst das nicht, dass es keine unschönen Antworten gibt.

Unser Geld macht Politik. Es wird investiert in Krieg und Umweltzerstörung. Es ist wie beim Trinkwasser aus dem Wasserhahn: Man sieht ihm die Pestizide nicht an. Wenn die Widersprüche zu offensichtlich und die Geschäfte zu dreckig werden, ist das Allerheilmittel jeweils die hochgelobte Transparenz. Sie mag ein Schritt in die richtige Richtung sein, ist aber gleichzeitig oft nur ein Placebo. Transparenz bedeutet, dass ein Anreiz geschaffen wird, Dinge anders darzustellen. Bei Investitionen, die in Landminen, Atombomben, in Palmölplantagen, in Fossile fliessen brauchen wir keine Transparenz. Wir brauchen Verbote. Unser Geld macht nämlich keine neutrale Politik.

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