Schweizerinnen und Schweizer sind stolz auf die direkte Demokratie und die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung. Auf eine Sache können wir aber nicht stolz sein. Die Tatsache, dass die Schweiz eines der letzten demokratischen Länder war, erst 1971 das Frauenstimmrecht eingeführt hat. Für uns Frauen in der CH ist darum dieses Jahr ein besonderes: Die Einführung des Frauenstimmrechts jährt sich zum 50sten Mal. Der späten Einführung des Frauenstimmrechts ist ein jahrzehntelanger Kampf vorangegangen. In diesem Kampf kam auch die Angst der Männer zum Ausdruck, dass die Einführung des Frauenstimmrechts das Wahlergebnis verändern würde. Darum wurde und wird seit 1971 in der Schweiz ganz genau hingeschaut, wenn es um gendertypisches Abstimmungsverhalten geht. Um es kurz zusammen zu fassen: Es gab in der Schweiz keinen kommunistischen Umsturz, wie es gewisse Männer vorausgesagt haben.

Frauen stimmen anders

Der Einfluss der Frauenstimmen auf die Mehrheitsentscheide in den letzten 50 Jahren bringt denn auch zu Tage, dass die Frauen nicht sozialer und umweltbewusster abgestimmt haben, sondern insbesondere in friedenspolitischen Fragen die Entscheide massgebend beeinflussten – bzw. Entscheide anders ausgefallen wären, hätten die Frauen entschieden. Dass es ein sogenannt gendertypisches Wahl- und Abstimmungsverhalten gibt, wurde in verschiedenen Studien belegt. Insbesondere jüngere Frauen wählen politisch eher links als die gleichaltrigen Männer. In der Schweiz sind in friedenspolitischen Anliegen die linken Parteien aktiv, insbesondere die Grünen, deren Mitglieder ja nicht nur aus der Umweltbewegung, sondern auch wesentlich auch aus der Friedensbewegung heraus zusammenfanden.
Belege für den Einfluss auf friedenspolitische Abstimmungen liefern die seit den 1970er Jahren regelmäßig durchgeführten Nachwahlbefragungen. Da die Schweiz keine Stimmpflicht kennt, ist die Mobilisierung entscheidend. Insbesondere ältere Männer sind der Urne sehr treu und haben deshalb einen grossen Einfluss auf den Ausgang von Abstimmungen. Anderseits werden insbesondere bei Abstimmungen, die sich um ethische Fragen handeln, junge Frauen gut mobilisiert.

Männer für Kampffugzeuge

Im letzten September hat die Schweiz über den Kauf neuer Kampfflugzeuge entschieden. Zuletzt hat die Bevölkerung 2014 den Neukauf von Kampfjets abgelehnt, eine historische Schlappe für das Militär. Folglich ging es beim Militär und der Rüstungslobby dieses Mal um alles oder nichts. Dementsprechend viel wurde in den Abstimmungskampf investiert. Die Stimmbeteiligung war mit fast 60% eine der höchsten der letzten 50 Jahre. Die Kampfjet-Frage mobilisiert beide Lager, das militärfreundliche und das armeekritische. Denn klar: Die Kampfjets sind quasi das Symbol für die Armee. Leider wurde der Neukauf von Kampfjets sehr knapp angenommen mit einem Ja-Stimmen-Anteil von 50.1%. Keine Überraschung: Die Nachwahlbefragung hat gezeigt, dass die Kampfjets abgelehnt worden wären, hätten nur die Frauen abgestimmt.
Dass die Frauen den Unterschied machen könnten bei der Abstimmung, war dem Komitee der Befürworter sehr bewusst, auch weil man das Nein von 2014 sehr genau analysiert hatte. Es waren die Frauen, die dort die Vorlage zum Absturz gebracht haben. Darum setzte man bei der Kampagne ganz auf die Frauen: Dass das Militärdepartement zum ersten Mal überhaupt eine Vorsteherin hat, Bundesrätin Viola Amherd, kam dem Anliegen entgegen. PR-Wirksam platzierte das Militär die erste und einzige Kampfjetpilotin der Schweiz. Auch die Bildsprache der Kampagne wurde angepasst. Auf den Plakaten waren nicht die Flugzeuge zu sehen, sondern Menschen, auch Frauen. Man wollte die Frauen offensichtlich nicht abstossen mit Militäruniformen und Kriegsrhetorik; Frauen haben nun mal eine kleinere Affinität zu Kriegsgeräten. Sondern vielmehr Sicherheit als gemeinsames Projekt darstellen. Es ist bemerkenswert, dass auf dem Plakat Menschen, welche zivile Sicherheitskräfte sind, in einer Mehrheit dargestellt waren.


Nun, hat es funktioniert? Nein. Der «Gender Gap» war bei der Abstimmung ebenso gross wie 2014.
Denn Frauen und Pazifismus sind eng miteinander verbunden.

Frauen bleiben frei in ihren Entscheidungen: Aufgrund der fehlenden Sozialisierung durch das Militär. Der grösseren Unabhängigkeit von den Milieus, und auch der grösseren Unabhängigkeit von realer Macht in der Wirtschaft.


Durch die späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz gibt es noch Nachholbedarf in der politischen Beteiligung der Frauen. Die Politik wird noch immer weitgehend von Männern geprägt. Darum ist es wichtig, dass die Gleichstellung voranschreitet und Frauen in bedeutenden Positionen nicht nur Entscheide treffen können, sondern auch Vorbilder für die Mädchen werden.
Der Aufbruch junger Frauen ist ein weltweites Phänomen, das zum Beispiel auch in der Klimabewegung sichtbar ist, deren Gesichter jung und weiblich sind! Und ich glaube, dass diese Politisierung der Frauen eine große Chance für Frieden und Abrüstung ist.

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